Airshows bieten eine große Bühne für alles, was fliegt. In den USA sind die Auflagen dabei deutlich weniger reguliert, als man es aus Deutschland kennt. Möglicherweise aber nicht mehr lange. Denn der Report über ein weiteres Unglück bei einer Luftfahrtveranstaltung legt nun offen, wie unzureichend die Verfahren und Sicherheitsstandards für solche Großveranstaltungen in den USA derzeit sind. Der Untersuchungsbericht des National Transportation Safety Board (NTSB) listet die Defizite, die in Dallas zu einer Katastrophe führten, detailliert auf. Sie beginnen bereits bei der Planung.

Die Katastrophe bei der Airshow in Dallas im Herbst 2022 ereignet sich vor den Augen der Zuschauer.
Positionswechsel auf Kollisionskurs
Es ist der frühe Nachmittag des 12. November 2022, als sich bei einer Flugzeugparade im Rahmen der Wings Over Dallas Airshow eine Boeing B-17G Flying Fortress dem Dallas Executive Airport nähert. Zur gleichen Zeit sind auch drei WW-II-Jagdflugzeuge in der Luft: zwei P-51 Mustang sowie eine Bell P-63F Kingcobra. Sie haben ebenfalls Kurs auf den Flugplatz genommen. Die B-17 ist an erster Position eines losen Verbandes von vier historischen Bombern: außer ihr eine B-24 Liberator, eine Curtiss SB2C Helldiver und eine North American B-25 Mitchell. Die Bomberpiloten wollen in niedriger Höhe einzeln über den Airport an den Zuschauern vorbeifliegen.
Die Bell P-63F nähert sich an letzter Position der drei Jäger, die in Formation fliegen. Bei der Parade der sieben Flugzeuge werden vom Start über Positionsänderungen und Vorbeiflügen alle Bewegungen in Echtzeit per Funk vom sogenannten Air-Boss im Tower koordiniert. Er trägt formal die Hauptverantwortung für die Kontrolle des Flugshowbetriebs. Die Bombergruppe und die Formation der Jagdflugzeuge haben vor den Zuschauern bereits eine Runde von rechts nach links über den Airport beendet und formieren sich nun neu, um anschließend erneut eine Parade über der Menge zu absolvieren, diesmal allerdings von links nach rechts.
Der Air-Boss gibt per Funk die Anweisungen an die Piloten der Jägerformation, auf der linken Seite der Bombergruppe vorbeizufliegen und dann vor ihnen zu kreuzen. Die Flugbahn der beiden Jagdflugzeuge an der Spitze der Formation führt in der Folge an der linken Seite der Bomber vorbei, bevor sie sich vor der B-17 kreuzen. Doch die Flugbahn der Bell P-63 auf Position 3 gerät durch die Anweisung vom Tower auf Kollisionskurs mit der vorausfliegenden B-17. Die Piloten vertrauen jedoch auf die Anweisungen vom Tower und leiten den Positionswechsel ein. In einer absteigenden Linkskurve schießt die letzte P-63 auf den Bomber zu. Der Pilot kann die B-17 offenbar nicht sehen. Dann rammt er von hinten kommend die linke Seite der Flying Fortress in der Nähe der linken Flügelhinterkante. Der Einschlag ist verheerend. Beide Maschinen brechen dabei sofort auseinander und stürzen in unzähligen Trümmerteilen zu Boden. Vom Einschlag der P-63F bis zum Aufschlag auf dem Boden vergehen kaum fünf Sekunden. Die Piloten haben keine Chance, den Zusammenstoß zu überleben.

Unzählige Trümmerteile der Wracks bedecken ein Gebiet von 570 mal 125 Metern. Keiner der Insassen hat überlebt.
Großes Trümmerfeld
An der Absturzstelle bietet sich den Rettungskräften ein Bild des Grauens: Südlich der Schwelle zur Piste 31 liegen die Trümmerteile der beiden Wracks in drei Bereichen konzentriert. Einige Teile sind auch auf und neben dem Highway 67, unweit der Aufschlagzone, niedergegangen. Das gesamte Trümmerfeld umfasst ein Gebiet von etwa 570 mal 125 Metern. Das Wrack der B-17 ist kaum noch als Flugzeug zu erkennen. Es ist so stark fragmentiert und durch Brandeinwirkung zerstört, dass die Ermittler des NTSB kaum noch Aussagen über den technischen Zustand des Oldtimers machen können. Auch das Wrack der P-63F wird in unzähligen Einzelteilen aufgefunden. Tragflächen, Propeller, Getriebe, Bugfahrwerk und Teile des Rumpfes sind vom Flugzeug abgerissen worden. Die Untersuchung der Steuersysteme ergibt keine Hinweise auf Vorschäden oder einen Ausfall vor dem Zusammenstoß. Das Southwestern Institute of Forensic Sciences (SWIFS) in Dallas führt Autopsien aller sechs Personen an Bord beider Flugzeuge durch. Den Berichten zufolge starben alle Insassen durch stumpfe Gewalteinwirkung und polytraumatische Verletzungen.

Die Positionsdaten zeigen, dass die P-63F (braun) in einer absteigenden Kurve direkt die Flugbahn der B-17G (dunkelblau) kreuzte.
Verwirrende Anweisungen
Bei den Ermittlungen zur Ursache der Kollision nimmt das NTSB von der Planung über das Briefing bis hin zum Unfallflug die gesamte Ereigniskette unter die Lupe und veröffentlicht die Ergebnisse in einem über 80-seitigen Abschlussbericht, der schwerwiegende Defizite ans Licht bringt. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass bei den Veranstaltern besonders die Show im Vordergrund stand. Der Air-Boss gab seine Anweisungen auf der Grundlage einer Echtzeitbewertung aller mit der Vorführung verbundenen Variablen, einschließlich der jeweiligen Positionen der Flugzeuge. Die Flughöhen und Fluggeschwindigkeiten der Flugzeuge variierten während der Vorführung deutlich. Sinkflüge der Bombergruppe, Formationsmanöver der Kampfflugzeuge und die koordinierte Detonation von Pyrotechnik am Boden sowie eine Echtzeit-Erzählung eines Airshow-Ansagers am Boden sollten das Erlebnis für die Zuschauer ganz besonders dramatisch in Szene setzen.
Im Fadenkreuz der Ermittler stand vor allem die Kommunikation des Air-Boss mit den Showpiloten. Aufgezeichnete Funkgespräche und Flugzeugpositionsdaten zeigen, dass er kurz vor der Kollision die Piloten anwies, wie sie sich für den nächsten Überflug positionieren sollten. Die Anweisungen an die Jägerformation sorgten dabei für Verwirrung. Die Piloten sollten sich "schrittweise" der Boeing B-17 nähern. Außerdem hieß es, dass er sie "links" ausschwärmen lassen würde, nachdem sie "den Bombern nach rechts 90 Grad folgen und dann (...) links zurückrollen und auf die 500-Fuß-Linie kommen sollten, (...) um sich auf eine Staffelung für einen Ausbruch vorzubereiten." Der Leader der Formation bat daraufhin um eine Klarstellung. Die einzige Anweisung, die vom Tower wiederholt wurde, bezog sich jedoch auf die Richtung des Staffelbruchs. Der Air-Boss wies die Formation offenbar an, die Bombergruppe zu überholen und auf die 500-Fuß-Showlinie zu sinken. Den Bomberpiloten gab er die Anweisung, auf 1000 Fuß über dem Gelände zu bleiben. Um der Anweisung Folge zu leisten, mussten die Jäger die Bomber auf der linken Seite passieren und dann seitlich vor der führenden B-17 kreuzen.
Die Positionsdaten zeigen, dass die Flugbahn des Leaders in der Jägerformation und der Mustang an Position 2 die Bombergruppe auf der linken Seite passierten und dann wie angewiesen vor der B-17G kreuzten. Anschließend richteten sie sich aber an der 1000-Fuß-Showlinie aus, anstatt weiter zur zugewiesenen 500-Fuß-Showlinie zu fliegen. Der Leader glaubte wohl irrtümlicherweise, dass der Air-Boss die Formation auf die 1000-Fuß-Showlinie geschickt hatte – ein fatales Missverständnis. Die Bell P-63F hielt sich zwar zunächst eng an die Flugbahn ihrer Formation, kreuzte dann aber in einer absteigenden Kurve direkt den Flugweg der B-17.

Die Konstruktion der B-17 erschwerte die Sicht nach vorn und zur Seite, sodass die Crew die herannahende P-63F erst spät erkennen konnte.
Eingeschränkte Sicht
Das Prinzip "See and Avoid" funktionierte in dieser Situation nicht, da die Sicht aus den Cockpits der beteiligten Flugzeuge konstruk-tionsbedingt eingeschränkt war, sodass die Piloten das jeweils andere Flugzeug nicht rechtzeitig sahen. Eine Simulation des NTSB macht deutlich, dass die Sicht aus der B-17 auf die P-63F wahrscheinlich bis kurz vor der Kollision durch eine Fensterstruktur verdeckt war. Umgekehrt war die B-17 für den Bell-Piloten aufgrund ihrer olivgrünen Farbe im Gelände kaum zu erkennen, selbst wenn sie zeitweise in seinem Sichtfeld flog. Besonders die Rolle des Air-Boss sehen die Ermittler kritisch. Dessen Strategie der Echtzeit-Konfliktvermeidung sei unwirksam gewesen, da die Flugwege der B-17 und der P-63F zusammenliefen, als sich die Piloten auf ihre Showlinien zubewegten, heißt es.
Die FAA-Ausnahmegenehmigung für die Airshow enthielt erstaunlicherweise keine Verfahren für eine Staffelung mehrerer Flugzeuge im selben Bereich, auch eine Risikobewertung dazu fehlte. Beim Briefing vor der Veranstaltung hatte offenbar keiner der Beteiligten Bedenken hinsichtlich des vorgestellten Plans geäußert.